Beschreibung
Ernst Wiecherts Roman entstand in seiner frühen Schaffensperiode, die noch ganz vom Zeitgeist nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg geprägt war: die alte Ordnung zusammengebrochen, eine neue noch nicht erkennbar, die abendländische Zivilisation pulverisiert auf den Schlachtfeldern Europas. Vor diesem düsteren Hintergrund entstand „Der Totenwolf“, ein erzählerisches Manifest: heidnisch, antichristlich und deutschbewußt. Ein Sinn- und Gottsucherroman, der durch die einfühlsamen Schilderungen seelischer Verwerfungen seiner Protagonisten, den spannungsreichen Aufbau eines dramatischen Geschehensablaufs und vor allem durch sprachliche Schönheit verzaubert und zugleich verstört.
Wolf Wiedensahl wächst als Kind – verstoßen von seinen Eltern – bei seiner Großmutter in den masurischen Wäldern auf. Eine heile ostpreußische Welt, fernab der Zivilisation, einfach und von einer naturmystischen Magie umhüllt und geschützt. Als Wolfs Vater nach Jahren wiederkehrt und ihn zum Schulbesuch nötigt, erlebt der Junge zum ersten Mal die Grausamkeit der Welt außerhalb des Idylls. Dann kommt der Krieg, den Wolf als Soldat und Offizier erlebt. Meisterhaft und sprachgewaltig sind Wiecherts Schilderungen der Kämpfe und des Sterbens an den Fronten, eine grausame Ästhetik des Schreckens, ein rauschhaftes Ausleben unerfüllbarer Erlösungsphantasien im Ringen um Leben und Tod. Heimgekehrt und seelisch zerrüttet findet Wolf nun keine Heimat und keinen Halt mehr, sondern nur noch eine Gesellschaft hedonistischer Dekadenz. Und der Totenwolf beginnt seinen Rachefeldzug!
Der Autor
Reinhold Schneider hat in einer Würdigung zum Tode Ernst Wiecherts im Jahre 1950 die Bedeutung dieses begnadeten Erzählers des deutschen Ostens aus dem Land der dunklen Wälder und kristall’nen Seen auch für die deutsche Gegenwart geschrieben:
Wie wenig haben wir noch das Gefühl für die Schwingungen der Seele, die von jenseits der Weichsel kommt! Ihr hat Ernst Wiechert die Klanggestalt seiner Dichtung gegeben; sie ist östliche Musik, durchzogen vom Refrain der Naturgewalt und von der Stille. Selbst die Menschen sind Klänge, Akkorde; die Landschaft der Seen, Wälder, Dünen ist das Instrument. Diesem Elemente, weit mehr als dem eigentlich Erzählerischen, verdankt er seine Wirkung. Der Klang bleibt frei; er ist auf die eingebrochenen Brücken nicht angewiesen.
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